Isla Chiloé
17.–19. Oktober 2024
Der Besuch im Restaurant war dann doch etwas länger geworden, nachdem Valérie alleine nach Hause gegangen war – und so entschieden wir uns, am Donnerstag einen faulen Tag einzulegen. Am Freitag ging es dafür umso früher los in Richtung der Insel Chiloé. Auf die Insel gelangt man nur mit der Fähre – zumindest «noch», da derzeit eine Brücke im Bau ist, die das Festland mit der Insel verbinden soll. Das Projekt wurde bereits in den 1960ern diskutiert, dann aber mehrmals wieder verworfen, wieder aufgegriffen und erneut verworfen. 2015 wurden die Arbeiten schliesslich aufgenommen – nicht ohne Kritik und Probleme. Die Brücke wird auch auf der Insel nicht nur positiv aufgenommen, fürchten doch viele Bewohnerinnen und Bewohner, ihre Eigenständigkeit und Identität zu verlieren. Ein weiterer Kritikpunkt lautet, dass es sinnvoller gewesen wäre, das Geld für Investitionen in gemeinnützige Infrastruktur wie Spitäler, Schulen und anderes zu nutzen. Nicht zuletzt wird die Brücke auch zur Einstellung der Fährbetriebe und damit zum Verlust von Arbeitsplätzen führen.
Die Insel Chiloé war nach der chilenischen Unabhängigkeit zum Rückzugsort der letzten verbliebenen Spanier geworden – bis ins Jahr 1826 leisteten sie hier noch Widerstand. Davon zeugt in Ancud, der ehemaligen Hauptstadt der Insel, noch heute die Befestigungsanlage des Fuerte San Antonio.
Am Nordwestende der Insel, bei Puñihuil, befinden sich mehrere Brutstätten von Pinguinen. Mehrere Anbieter bieten Bootstouren an, auf denen man in die Nähe der kleinen Inseln kommt, auf denen die Pinguine brüten. Jetzt im Oktober hat die Brut begonnen, und die Pinguine verstecken sich und die Eier vor den gefrässigen Möwen, weshalb man weniger Pinguine sieht als im Dezember oder noch später, wenn im Februar die Jungtiere lernen zu schwimmen. Wir konnten dennoch einzelne Pinguine sehen und waren beeindruckt, sie dabei zu beobachten, wie sie mit ihrem unförmig wirkenden Gang die steilen, rutschigen Felsen hoch kletterten. Auf diesen Felsen leben auch verschiedene Möwen und Kormorane, und Seelöwen nutzen sie, um sich hier zu sonnen.
Anstatt am gleichen Tag wieder zurückzufahren, entschieden wir uns, die schöne Landschaft und die Sicht auf das Meer zu geniessen. Ganz in der Nähe fanden wir eine kleine Unterkunft, bei der wir auch etwas zu Essen bekamen. Nach den ausgezeichneten Restaurants der letzten Tage war dieses weit unter dem Durchschnitt – was aber durch die fantastische Aussicht kompensiert wurde, die wir auch am nächsten Morgen nochmals ausgiebig genossen. Danach ging es wieder zurück nach Ancud und von dort der Nordküste der Insel entlang gemütlich zurück bis zur Fähre, die uns wieder aufs Festland brachte.
Auf der Rückfahrt nach Puerto Montt machten wir einen Abstecher zur Ausgrabungsstätte in Monte Verde. Dort wurden in den 1970er-Jahren Spuren von Menschen gefunden, die auf bis zu 15’000 Jahre Alter geschätzt wurden. Damit wurde die Theorie auf den Kopf gestellt, wonach die Clovis-Kultur mit 13’500 Jahren die älteste auf dem amerikanischen Kontinent sei – und es entbrannte ein heftiger wissenschaftlicher Streit rund um diese Funde. [Siehe unten angegebene Quellen]1,2,3,4,5
Die Ausgrabungsstätte war noch bis Ende des letzten Jahrzehnts ein Freilichtmuseum, und es gab Pläne, die Anlage weiter auszubauen. Heute sind nur noch die Überreste der Anlage vorhanden; die Informationstafeln sind noch knapp leserlich, aber sehr ausgebleicht, und das kleine Haus, in dem nopch immer Ausstellungsstücke auf den Regalen stehen, ist nicht verwaist. Wir besuchen die Stätte dennoch und versuchen uns vorzustellen, wie die ersten Menschen hier von der Jagd und Fischerei gelebt haben dürften – auch wenn wir es sehr schade finden, an diesem geschichtsträchtigen Ort nicht mehr vorzufinden. Am anschaulichsten sind die Gesteinsschichten entlang des kleinen Wasserlaufes – hier sieht man gut, wie die vulkanische Asche oder auch Murgänge die Spuren dieser alten Zivilisation haben überdecken und erhalten können.
- T. D. Dillehay u. a., «New Archaeological Evidence for an Early Human Presence at Monte Verde, Chile», PLoS ONE, Bd. 10, Nr. 11, S. e0141923, Nov. 2015, doi: 10.1371/journal.pone.0141923. ↩︎
- T. Dillehay u. a., «New excavations at the late Pleistocene site of Chinchihuapi I, Chile», Quaternary Research, Bd. 92, S. 1–11, Apr. 2019, doi: 10.1017/qua.2018.145. ↩︎
- T. Dillehay u. a., «Correcting Fiedel, Once again: Monte Verde and the Peopling of South America», Radiocarbon, Bd. 64, S. 899–904, Aug. 2022, doi: 10.1017/RDC.2022.50. ↩︎
- .S. J. Fiedel, «There he goes again: reply to Dillehay et al. (2022)». 2023, researchgate.net/publication/367207403_reply_to_Dillehay_et_al_2023. ↩︎
- M. Pino und T. Dillehay, «Monte Verde II: an assessment of new radiocarbon dates and their sedimentological context», Antiquity, Bd. 97, S. 1–17, März 2023, doi: 10.15184/aqy.2023.32. ↩︎
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