Puerto del Hambre, Fuerte Bulnes und Punta Árbol

Published by Olivier Flechtner on

29. Oktober 2024

Das heutige Punta Arenas ist eigentlich die dritte Siedlung, die durch Einwanderer an der Magellanstrasse entstanden ist, aber die erste, die auch geblieben ist. Ein erstes Mal wurde die Magellanstrasse bereits im März 1584 besiedelt. Rund 300 Kolonisten liessen sich rund 50 km südlich des heutigen Punta Arenas nieder, um das Land im Namen der spanischen Krone zu besetzen, weshalb die Siedlung zu Ehren des Königs «Ciudad del Rey Felipe» genannt wurde. Die Siedler scheiterten kläglich und verhungerten der Reihe nach. Knapp 3 Jahre später, im Januar 1587, stiess der englische Korsar Thomas Cavendish auf ihre Leichen und einige letzte Überlebende, von denen er aber nur einen auf sein Schiff nahm, um zu erfahren, was es mit dieser Siedlung auf sich habe. Er gab dem Ort den Namen «Port Famine«, also «Hafen des Hungers«, woher auch die heutige spanische Bezeichnung als «Puerto del Hambre» stammt.

Beim Betrachten der Landschaft weigert sich mein Kopf zu verstehen, wie man sich für diese Gegend entscheiden kann, um eine Siedlung zu errichten. Es ist zwar eine schöne Gegend – aber auch eine feuchte, morastige Landschaft, die von Tümpeln durchzogen ist. Es gibt kaum grosse Ebenen, die für einen Anbau von Getreide oder Gemüse geeignet sind – kein Wunder, dass das Unterfangen gescheitert ist. Dieser Gedanke begleitet mich den ganzen Tag, und auch auf der Rückfahrt komme ich aus dem Grübeln nicht heraus, was wohl die Gründe gewesen sein mögen, sich für diesen unwirtlichen Ort zu entscheiden – wohlgemerkt fast 75 Jahre nach der Entdeckung der Magellanstrasse, als diese also schon einige Male befahren worden war und die klimatischen Bedingungen somit auch nicht mehr unbekannt gewesen sein konnten.

Von der Siedlung selber ist ausser den Grundmauern eines einzelnen Gebäudes nicht mehr viel sichtbar. Sie wirken wie ein stummes Mahnmal des Leidens der armen Teufel, die hier elendiglich verhungert sind.

Erst 250 Jahre später, am 30. Oktober 1843, wurde erneut eine Siedlung gegründet – und nach dem damaligen Präsidenten Chiles Manuel Bulnes auf den Namen «Fuerte Bulnes» getauft. Es waren eine Handvoll Soldaten, die hier mit der «Ancud» eintrafen – dem Schiff, das nach der Stadt auf der Insel Chilé benannt war und dessen Nachbau wir vor einigen Tagen besichtigt hatten. Nach vier Monaten auf See sollten die Soldaten den Anspruch des gerade erst 25 Jahre jungen Staates Chile auf die Magellanstrasse durchsetzen. Der Ort wurde primär aus strategischen Gründen gewählt – von hier sieht man beidseits weit in die Magellanstrasse. Aber auch diese Siedlung litt unter den schwierigen Bedingungen – das Land ist nicht für den Getreideanbau geeignet, der nächste grössere Fluss mit Trinkwasser ist mehrere Kilometer weit entfernt, und das Klima ist sehr rau. Hinzu kamen soziale Konflikte unter den Siedlern, so dass schon im Jahr 1848 die Siedlung an den Ort des heutigen Punta Arenas verlegt und das Fort in ein Gefangenenlager umfunktioniert – das aber 1852 auch aufgegeben wurde.

Das Fort wurde bereits 1943 wieder aufgebaut, um die Geschichte dieses Ortes zu erhalten. 1988 wurden Veränderungen vorgenommen, insbesondere wurden einzelne Gebäude an ihren tatsächlichen Ort verlegt und Fehler korrigiert – zum Beispiel wurden die Fenster entfernt, die im Original nie vorhanden gewesen waren. Heute vermittelt der Ort einen sehr originalgetreuen Eindruck der damaligen Bedingungen.

Vom Fort aus kann man ausserdem am Fusse der Landzunge dem Meer entlanglaufen – was wir uns natürlich nicht entgegen lassen. Auf der Landzunge wächst ein kleiner, sehr offener Wald, und an deren Flanken wächst dichter Strauchbewuchs, der fast ein bisschen wie der korsische Maquis wirkt. Am Strand liegt viel angeschwemmtes Holz, das teilweise fast wie das ausgebleichte Skelett eines Wals aussieht.

Sowohl die Stadt Punta Arenas wie auch Fuerte Bulnes liegen an der Ruta 9. Diese beginnt im Norden von Puerto Natales und endet rund 10 km südlich des Forts. Hier sind wir am südlichsten Punkt angelangt, den man mit dem Auto auf dem Festland erreichen kann. Von hier aus führen mehrere, teilweise sehr ausgedehnte Wanderungen der Küste entlang. Wir gelangen bis zum rund 1.3 km entfernten Aussichtspunkt der «Punta Árbol», von wo aus man den südlichsten Leuchtturm des südamerikanischen Festlands erblickt, den Fáro San Isidro. Auf dem Weg hin und zurück bewundern wir die schönen Wälder, die in dieser torfigen und morastigen Gegend wachsen.


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