Die Yagan – das südlichste indigene Volk der Erde
5. November 2024
Museo Territorial Yagan Usi
Am Dienstag Morgen schneit es, es ist kalt, und die Wolken hängen tief über dem Beagle-Kanal. Der Schnee geht schon bald in Regen über, und die Wolken werden im Laufe des Tages noch weiter sinken und Feuerland hinter einem grauen Vorhang verschwinden lassen. Ideales Wetter, um das Museum zu besichtigen, das sich nur 50 m von unserem Hotel entfernt befindet. Das «Museo Territorial Yagan Usi – Martín González Calderón» widmet sich der Geschichte und der Kultur der hier einheimischen Yagán, welche vor etwa 6’000 Jahren die Südspitze des Südamerikanischen Kontinentes besiedelten – und es ist so spannend und interessant, dass wir schlussendlich fast drei Stunden darin verbringen.
Die Yagan sind das südlichste indigene Volk der Erde. Weiter nach Süden konnte die Menschheit ohne die Unterstützung der modernen Technik nicht vordringen. Die Kultur der Yagan teilt Vieles mit derjenigen der Selk’nam, welche die nördlich gelegene Insel Feuerland besiedelt haben und deren Kultur wir während unseres Aufenthalts in Punta Arenas kennengelernt haben. Insbesondere finden wir die Masken wieder, die uns bei den Selk`nam schon beeindruckt haben. Wie genau die Yagan bis zur Insel Navarino und noch weiter bis zur Insel des Kap Hoorn gelangt sind, ist nicht abschliessend geklärt. Neuere Forschungsansätze beschäftigen sich mit der genetischen Abstammung und der Frage, ob die Besiedelung möglicherweise sowohl entlang der Westküste als auch über die Insel Feuerland erfolgt sein könnte. [1]
Die Yagan lebten traditionell vom Fischfang und der Jagd nach Robben, Vögeln und auch dem Andenschakal, dessen Fell sie für Kleider nutzten. Wie schon die Selk`nam wurden die Yagan in der Folge der Einwanderung der Europäer im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert massiv dezimiert, insbesondere aufgrund der Einschleppung von Krankheiten, namentlich der Tollwut, Masern und Tuberkulose. [2]
Vor zwei Jahren ist die letzte muttersprachige Vertreterin dieser Ethnie gestorben, die von allen «Abuela Cristina«, also «Grossmutter Cristina» genannte Cristina Calderón Harban. [3, 4]
Das Museum ist nach ihrem Neffen benannt, der – wie auch schon Cristina Calderón und seine Mutter Ursula – sehr viel zum Erhalt des Wissens über diese Kultur beigetragen hat. Ihm ist es auch zu verdanken, dass die südlichsten bekannten Felsmalereien dokumentiert werden konnten, deren Standorte er erst 2011 weitergab.
Das Museum wurde nach der Pandemie während längerer Zeit komplett renoviert und umgebaut – und erhielt auch ein neues, sehr modernes Konzept. Davor war es nach Martin Gusinde benannt gewesen, einem deutschstämmigen Missionar und Anthropologen, der Anfang des 20. Jahrhunderts viele Informationen zusammengetragen hatte. Während der Diktatur wurde versucht, die Identität aller Indigenen in Chile auszulöschen, und auch die Kultur und Lebensweise der Yagan wurde verboten. Damit waren auch noch lange Zeit nach der Diktatur die Erkenntnisse, die von Martin Gusinde zusammengetragen worden waren, die einzigen Fakten über die Yagan, die einem gewissen wissenschaftlichen Anspruch gerecht wurden. Dies hat sich glücklicherweise geändert, so dass auch eine andere Perspektive auf die Kultur der Yagan und ihre Vergangenheit ermöglicht wurde. Über die Rückkehr des genannten Martin González Calderón zu seinen Wurzeln hat das Museum einen Dokumentarfilm produziert, der auf Youtube verfügbar ist. [5]
Fotogalerie: Eindrücke aus dem Museum
Reifenpanne und Einkaufstour
Zurück beim Hotel wollen wir unser Auto nehmen, um im Städtchen einige Souvenirs zu besorgen – und stellen fest, dass der rechte Hinterreifen, der schon gestern wenig Druck hatte, heute komplett platt ist. Zum Glück regnet es gerade nicht, so dass wir den Reservereifen ohne grössere Probleme montieren können. Und in den nächsten Tagen haben wir auch keine grossen Fahrten mehr geplant, so dass wir den Reifen bis zum Ende unseres Aufenthaltes montiert lassen können, ohne uns um einen vollwertigen Ersatz kümmern zu müssen.

Nach diesem Intermezzo genehmigen wir uns am Hafen in einem kleinen Café ein Stück Kuchen und feinen Kaffee, bevor wir in der «Villa Ukika«, der Siedlung der wenigen noch lebenden Yagan, einige Andenken einkaufen. Später gehen wir im Stadtzentrum in ein kleines Restaurant, wo wir eine Touristin wieder treffen, die wir bereits im Museum kennen gelernt und mit der wir uns länger unterhalten haben – wir verbringen schliesslich den Abend gemeinsam am Tisch und diskutieren angeregt und bei etwas mehr Bier als ursprünglich gedacht unsere Eindrücke dieses Landes und dieser spannenden Insel.
Quellen
[1] Balentine, C., Alfonso-Durruty M. et al; 2022. «Evaluating population histories in Patagonia and Tierra del Fuego, Chile, using ancient mitochondrial and Y-chromosomal DNA«. American Journal of Biological Anthropology, 180:1-18. doi: 10.1002/ajpa.24638
[2] Kantor, I.; 2022. «The disappearance of Onas and Yaganes. Between measles, rabies and tuberculosis«. Medicina, 82:564-567.
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