Flechten, Moose, Pilze und ein Specht
6. November 2024
Rundgang im Park der Flechten und Moose
Es ist fast unglaublich: Wir haben heute wieder ein Outdoor-Programm geplant – und das Wetter ist herrlich. Nach dem gestrigen kalten, trüben und verregneten Tag werden wir heute vom warmen Sonnenschein begrüsst, und die argentinischen Anden präsentieren sich in einem festlichen Schneekleid.
Wie vereinbart finden wir uns kurz vor 10h beim Eingang des Parque Omora ein, wo wir von Matías in Empfang genommen werden. Matías hat Geografie studiert, ist als Assistent an der Universidad de Magallanes tätig und ist einer der Guides im ethnobotanischen Park. Der Parque Omora ist der Vorstellung der reichen Pflanzenwelt gewidmet, die es auf der Insel gibt. Zu Beginn jedoch überrascht uns Matías mit der Information, dass es nur gerade sechs Baumarten gibt – und die meisten Pflanzen, die den Boden bedecken, seien eigentlich nicht heimisch. Jedoch beherbergt die Insel die weltweit grösste Artenvielfalt an Flechten und Moosen. Und in der Tat entdecken wir – bewaffnet mit Lupe und unseren Makroobjektiven – zahlreiche Vertreter. Besonders die Flechten überraschen hier mit einer sehr grossen Farben- und Formenvielfalt. Einige wachsen flach auf Steinen und sehen aus wie etwas dick aufgetragene Farbe, andere bilden beinahe ein Blätterwerk, und wieder andere hängen wie Hipster-Bärte von den Zweigen (und werden hier «Barba del viejo«, also «Bart des Alten» genannt).
Bei den Bäumen wachsen auf der Insel drei verschiedene Südbuchen, die auch Scheinbuchen genannt werden. (siehe Bildunterschrift nebenan). Daneben gibt es noch die Magellansche Winterrinde (Drimys winteri), die hier «Canelo» genannt wird und bei den Mapuche weiter im Norden des Landes ein heiliger Baum ist. Der Baum sieht mit seinen glänzenden, festen und lanzettförmigen Blättern fast aus wie ein Rhododendron, auch die Knospen erinnern an diesen Strauch. Ein weiterer Baum ist der «Notro«, der auf deutsch Chilenischer Feuerstrauch (Embothrium coccineum) heisst, aber tatsächlich ein kleiner Baum ist. Jetzt im November blüht er bereits an offenen, sonnigen Standorten feuerrot. Der sechste – und letzte – Baum ist der immergrüne «Leña dura» (Maytenus magellanica), der selten ist. Offenbar wird er gerne von Tieren, hier insbesondere von Rindern gefressen und ist entsprechend nur selten anzutreffen.

v.l.n.r.: Coihue-Südbuche (spanisch «Coigüe«; Nothofagus dombeyi), Lenga-Südbuche («Lenga«; Nothofagus pumilio), Antarktische Scheinbuche («Ñire«, Nothofagus antarctica)
Die ältesten Bäume auf Navarino sind «nur» 500 Jahre alt – nicht, weil sie nicht älter werden könnten, sondern weil die Humusschicht so dünn ist. Navarino war in der Eiszeit mit einer 1,5 km (!) dicken Eisschicht bedeckt. Nach dem Rückzug der Gletscher lag der Fels blank, und erst mit der Ansiedelung der ersten Pflanzen bildete sich langsam eine Humusschicht, die heute gerade einmal etwa 20 cm dick ist. Und das ist zu wenig, um grösseren Bäumen bei starken Winden genügend Halt zu bieten, weshalb auch so viele Stämme kreuz und quer auf dem Waldboden liegen.
Parasitische Pilze mit kulinarischem Nutzen
Endlich erfahren wir auch, was es mit den geschwürartigen Verdickungen der Bäume auf sich hat, die uns schon mehrmals aufgefallen sind. Es handelt sich um Stellen, an denen die Südbuchen mit einem wirtsspezifischen Pilz infiziert sind. Dieser bildet jetzt im subantarktischen Frühsommer kleine, orange Kugeln auf dem Holz, die essbar sind. Wir probieren einige davon – sie schmecken sehr lecker. Matías erklärt uns, dass eines der Restaurant in Puerto Williams morgen Sushi mit diesen Pilzen servieren soll – das wird natürlich vorgemerkt.
Toctoc – Toctoc!!

Plötzlich hält Matías abrupt inne – und zeigt uns einen Magellanspecht (Campephilus magellanicus), der an einer der Südbuchen nach Larven sucht. Mit seinem knallroten Kopf ist er als Männchen zu erkennen – und tatsächlich gesellt sich nach einer Weile das Weibchen dazu, das bis auf ein paar Federn am Schnabelrand gänzlich schwarz ist. Der Magellanspecht ist der grösste Specht auf dem amerikanischen Kontinent, er ist kleiner als der europäische Schwarzspecht, aber bedeutend massiger und darum fast gleich schwer. Wenn er nach Larven sucht, schlägt er immer nur in einem Doppelschlag, was zu einem markanten «Toctoc – Toctoc» führt, das weit durch den Wald zu hören ist.
Kulinarischer Tagesabschluss
Nach dem Besuch des Parks halten wir noch kurz an der Mündung des Rio Robalo in das Meer, wo ein altes Wrack früher als Brücke diente, und halten die Sicht auf die schneebedeckten Anden fest. Anschliessend geniessen wir in unserem Hotel erneut feinen Kuchen, bevor wir abends zu dem Restaurant aufbrechen, das uns bisher am meisten überzeugt hat. Bisher haben wir in Puerto Williams gerade mal fünf Restaurants ausfindig machen können, von dem eines aufgrund der Karte ohnehin nicht in die engere Auswahl kam. Dasjenige, das morgen die Sushis servieren soll, hat uns bislang am meisten überzeugt – die Chupe de Centolla ist dort hervorragend.
Das kulinarische Extra
Rezept gefällig? Zum Beispiel hier: https://clotildeponelamesa.com/recetas/chupe-de-centolla/
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