Museumstag, zum Ersten

Published by Olivier Flechtner on

13. November 2024

Santiago verfügt über eine beeindruckende Vielzahl an Museen – eine Woche reicht nicht aus, um sie alle zu entdecken. Schon nur alle grösseren Museen zu besichtigen, ist eine Herausforderung.

Museum für Menschenrechte

Wir haben uns heute für die neuere Geschichte des Landes entschieden. Den Anfang machen wir im «Museo de Memoria y de Derechos Humanos», das sich schwerpunktmässig mit den Menschenrechtsverletzungen während der Diktatur auseinandersetzt. Es ist ein modernes, architektonisch spannendes Gebäude, das nur schon für sich sehenswert ist. Die Dauerausstellung ist sehr gut gemacht, die Exponate sind gut zugänglich und wechseln ab zwischen Fakten und Schilderungen von Betroffenen, die Opfer der Diktatur waren oder Angehörige verloren haben. Das Museum deckt die Zeit vom 11. September 1973 – dem Tag des Militärputsches – bis zum 11. März 1990 ab, als der demokratisch gewählte Patricio Aylwin Azócar das Amt des Präsidenten übernahm. Im Gegensatz zu meinem Besuch im Jahr 2022 fällt mir auf, dass das Museum weniger politisiert auftritt – vor zwei Jahren wurde der Entwurf der neuen Verfassung nicht nur thematisiert, sondern klar unterstützt, was mich persönlich ziemlich gestört hatte. Aber auch ohne klare politische Agenda – die Zeit vor dem Putsch, in welcher der Nährboden für die Diktatur entstand, wird nicht beleuchtet. Denn auch wenn es natürlich niemals eine Entschuldigung oder Begründung für die Menschenrechtsverstösse geben kann: ich bedaure, dass das Museum nicht die Gelegenheit nutzt, um darzustellen, dass Menschenrechte dann in Frage gestellt werden, wenn die Bevölkerung wegen sozialen Spannungen und wirtschaftlichen Krisen keine Zukunft mehr sieht und nur noch ein Wechsel wichtig ist – egal, wohin und mit wem. Davon abgesehen aber ist das Museum sehr interessant und ergreifend; da ich es ein zweites Mal sehe, denke ich dieses Mal sogar daran, einige Fotos zu machen, was mir bei meinem ersten Besuch nicht gelungen ist.

«Londres 38», Folter-und Verhörzentrum der DINA

Ergänzt wird dieser Besuch durch die Gedenkstätte im Gebäude «Londres 38». Diese ehemalige private Villa – ihr Name ist gleichzeitig auch die Adresse – wurde 1970 von der sozialistischen Partei gekauft und sollte ein Zentrum für kulturelle Aktivitäten werden. Wie die Villa Grimaldi wurde dieses Gebäude nach dem Putsch im September 1973 durch die DINA konfisziert und in ein Folter- und Verhörzentrum umfunktioniert. Heute befindet sich darin eine Gedenkstätte, die sichtlich unter mangelnden finanziellen Mitteln leidet. Einige Räume sind nicht zugänglich, weil der Fussboden eingebrochen ist, die Farbe blättert von der Decke, und auch die Informationen sind eher spärlich. Vor allem aber fallen mir die beiden Banner auf, die am Gebäude hängen und mich mehr an ein politisches Manifest erinnern, als an eine Stätte mit dem Anspruch, das Geschehene sachlich aufzuarbeiten. Aber der Gang durch die Räume, in denen Menschen festgehalten, gefoltert und befragt wurden, ist trotz aller Kritik und trotz des desolaten Zustands des Gebäudes eindrücklich und auch beklemmend.

Eisenbahnmuseum

Zwischen diesen beiden eher bedrückenden Museen haben wir unseren Tag aber aufgelockert – mit einem Besuch des Eisenbahnmuseums. Es handelt sich hierbei um ein Freilichtmuseum, in welchem zahlreiche Dampflokomotiven und auch Wagen der chilenischen Eisenbahn(en) ausgestellt sind. Die meisten Lokomotiven wurden Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des Jahrhunderts in Betrieb genommen – einzelne jedoch (als Dampflokomotive!) sogar erst 1953. Das Museum ist ein spannender Teil der chilenischen Industriegeschichte, und es erzählt eine Geschichte, die man sonst nicht erfährt. Prädikat: Empfehlenswert!

Und die Verpflegung…

Ebenfalls nicht fehlen durfte natürlich die Verpflegung. Das Eisenbahnmuseum befindet sich in einem grossen Park, in dem auch ein kleines Café ist – dort genehmigten wir uns einen «Completo», die chilenische Variante eines Hotdogs: Das Brot wird aufgeschnitten, und neben der Wurst sind auch gehackte Zwiebeln und Tomate, Sauerkraut und Avocado drinnen. Darüber etwas Mayo, Knoblauchsauce und Ketchup – das Ganze ist RICHTIG lecker.

Am Abend waren wir dann in einem japanisch-koreanischen Restaurant zum Sushi-Essen. Das Restaurant hatte ich mit meinen beiden grossen Töchtern schon vor zwei Jahren entdeckt; es wird von einer Japanerin geführt, die die Zutaten teilweise direkt aus Japan einführen lässt, um die gewünschte Qualität zu erreichen. Das Ergebnis ist schlicht umwerfend. Falls ihr in Santiago seid: Everyday Sushi an der Merced 655 (Insta: @everyday_sushi).


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