Chilereise, Teil 3: Punta Arenas
22.–24. Oktober 2024
Am Dienstag ging es zurück nach Santiago, wo wir am Abend die ehemalige Gastfamilie meiner ältesten Tochter für einen gemütlichen Abend mit viel Erzählen, Lachen und allerlei Tratsch trafen. Der Mittwoch verlief gemütlich mit Ausschlafen und Packen für die Weiter- oder Heimreise; am Nachmittag spazieren Valérie und ich nochmals durch Santiago, und am Abend gehen wir in unserem Lieblingsquartier «Lastarria» fein essen.
Am heutigen Donnerstag geht es also weiter nach Punta Arenas – zumindest für zwei von uns, denn Valérie müssen wir auf den Flug zurück in die Schweiz bringen, damit sie am Montag wieder in die Schule kann. Dass wir mittlerweile definitiv im Ferienmodus angekommen sind, zeigt sich daran, dass ich soeben einen Newsletter verschickt habe, in dem ich den heutigen Tag falsch als Freitag bezeichne – egal, wichtig ist, dass wir das Datum richtig im Kopf haben und rechtzeitig am Flughafen sind.
Valéries Check-in läuft reibungslos, die Fluggesellschaft ist sehr unkompliziert und wir können früher zur Sicherheitskontrolle, als uns eigentlich lieb ist – plötzlich ist er da, der Moment des Abschiednehmens, und es fliessen dann doch einige Tränen. Während Valérie nun in Richtung Heimat unterwegs ist, fliegen Adrian und ich nach Punta Arenas.

Punta Arenas liegt rund 2’200 km südlich von Santiago. Das ist – mit 10% Toleranz – wie ein Flug von Zürich nach Marokko, Ankara, Island oder zu den südlichen Lofoten. Es zeigt erneut, wie gross dieses Land ist. Die Stadt liegt an der geschichtsträchtigen Magellanstrasse. Der Zufall will es, dass wir diese Gegend ziemlich genau zu der Jahreszeit bereisen, in der Magellan im Jahr 1520 die Durchfahrt entdeckte. Am 21. Oktober 1520 entdeckte er die Einfahrt beim «Cabo de Virgenes» und durchkreuzte anschliessend die Strasse, bis er am 27. oder 28. November endlich den offenen Pazifik erreichte. Er benannte diese nach dem Allerheiligentag vom 1. November «Estrecho de Todos Santos» – die «Strasse aller Heiligen». Auch wir werden am 1. November auf See sein, wenn wir auf der Fähre von Punta Arenas nach Puerto Williams sein werden – und so einen Eindruck der Bedingungen erhalten, unter denen die Seefahrer vor 504 Jahren die ihnen unbekannten Gewässer befuhren. Auf dem Flug vertiefe ich mich in das Buch «Magellan oder Die erste Umsegelung der Erde» von Christian Jostmann, das sich wie ein Roman liest, obwohl es ein sehr sachliches Buch über diese schillernde Person ist. Das Buch steigert die Vorfreude weiter, diese Gegend zu erkunden und die Spuren der Seefahrer zu entdecken, die diese Gegend vor mehreren Jahrhunderten erkundeten.1
In den letzten Tagen herrschten in Punta Arenas starke Winde – es wurden Geschwindigkeiten von über 120 km/h gemessen. Für die bevorstehenden Tage sind konstante Winde von 60 bis 80 km/h vorhergesagt, was aber für diese Gegend nicht ungewöhnlich ist. Die Gegend ist vom Westwind geprägt, was man den schief gewachsenen Bäumen ansieht. Dieser Westwind machte diese Passage auch so berücktigt. Vor allem die Ausfahrt durch das Archipel in den Pazifik ist sehr gefährlich, mit vielen Untiefen, Fallwinden und quer verlaufenden Strömungen – und das alles abgesehen davon, dass der Pazifik aus dem Westen mit seiner Strömung hineindrückt. Bei unserer Ankunft scheint die Sonne – aber auf der Fahrt vom Flughafen in die Stadt sehen wir im Westen bereits wieder die nächsten Wolken aufziehen. Wir werden sehen, was das Wetter mit uns vorhat.
Nachdem wir unsere sehr hübsche Unterkunft bezogen haben, gehen wir auf Empfehlung unserer Gastgeber in ein Restaurant ganz in der Nähe, das lokale Spezialitäten anbietet: Centolla (Königskrabbe) und Congrio, zu deutsch «Kingklip», ein aalartiger, eher hässlich anmutender Bodenfisch, der aber sehr leckeres Fleisch hat – in der Galerie ist ein Foto dieses Fisches, das auf dem Markt in Puerto Montt entstanden ist.
Während dem Essen nutzen wir ausserdem die genaueren Angaben, die wir auch von unseren Gastgebern erhalten haben, um die nächsten Tage genauer zu planen. Dies können wir uns erlauben, da wir völlig ausserhalb der Saison unterwegs sind, es erlaubt uns aber auch, besser auf die Wetterbedingungen zu reagieren. Wir entscheiden uns, am morgigen Tag ein Mietfahrzeug zu organisieren, damit wir in den nächsten Tagen die Gegend erkunden können. Am Samstag soll es auf die Insel Feuerland zu den Königspinguinen gehen, am Tag danach wollen wir den Nationalpark Pali Aike im Nordosten von Punta Arenas erkunden.
- Jostmann, Christian: «Magellan oder Die erste Umsegelung der Erde«. C. H. Beck Verlag, 2022. ISBN 978-3-406-78710-2 ↩︎
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