Isla Grande de Tierra del Fuego

Published by Olivier Flechtner on

26. Oktober 2024

Mit der Fähre geht es um 9h30 los in Richtung Porvenir auf die «Isla grande de Tierre del Fuego» – die gross Insel Feuerland. Die Überfahrt dauert zwei Stunden; wir haben grosses Wetterglück und können die Fahrt auf dem Deck geniessen, anstatt im stickigen und engen Innenraum zu sitzen.

Schon während der Überfahrt zeigt sich, dass die Insel Feuerland landschaftlich ganz anders ist als das Festland. Während sich hinter uns die letzten Ausläufer der schneebedeckten Anden erheben, ist die Insel eher hügelig und erinnert an Schottland. Porvenir liegt in einer langgestreckten, engen und seichten Bucht. Die Fähre passiert die erste Engstelle bis zum Hafen, weiter kann sie nicht fahren. Die Stadt liegt zuinnerst in der Bucht und wurde Ende de 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts von europäischen Einwanderern besiedelt, die vorwiegend des Goldes wegen gekommen waren.

Auf der Insel lebten damals die Selk`nam – ein Volk, dass von der Jagd und dem Fischfang lebte und das in kleinen sozialen Gruppen von maximal 25 bis 30 Personen, sogenannten «Haruwen» organisiert war. Innerhalb von rund 30 Jahren vernichteten die Einwanderer diese ethnische Gruppe. Dieses Genozid führte dazu, dass heute nur noch sehr wenig über diese Menschen und ihre Kultur bekannt ist – genauso wie über die andere ethnische Gruppen auf der Insel, die Haush.

Im Museum befinden sich mehrere Nachbildungen der rituellen Gegenstände der Selk`nam, darunter insbesondere einige Masken – was mich natürlich besonders fasziniert. Ich bin vor allem von ihrer Einfachheit und Schlichtheit beeindruckend. Die meisten Masken sind mit Mustern bemalt, viele mit vertikal verlaufende Linien. Ausserdem sind Modelle von Personen ausgestellt, die nicht nur Masken tragen, sondern passend zu diesen am gesamten Körper bemalt oder bekleidet sind. Man kann sich gut vorstellen, wie imposant diese rituellen Verkleidungen gewesen sein – sind doch die Masken sehr lang, so dass sie bis zu einem Meter über den Scheitel ragten und die Person riesig wirken liessen. Vor allem aber stelle ich mir vor, dass hinter so einer Verkleidung der Mensch völlig verschwindet und nur noch die Figur und die ihr eigene Symbolik wirkt.

Gegenüber des Museums befindet sich ein öffentliches Gebäude. Dieses Wochenende sind regionale Wahlen und das Gebäude ist jetzt ein Wahllokal. Auch wenn es nicht nationale Wahlen sind, so sind sie drei Jahre nach den Präsidentschaftswahlen, die den jetzigen linken Präsidenten an die Macht gebracht haben, ein Stimmungsbarometer. Die Regierung wird weit herum kritisiert, immer wieder hören wir negative Kritik über den Präsidenten und seine Regierung, die als untätig und ineffizient taxiert wird.

Das Wahllokal wird von uniformiertem Personal bewacht. Mit ihrer Erlaubnis darf ich eine Aufnahme des Eingangs machen.

Nach dem Besuch des Museums fahren wir in knapp zwei Stunden zur «Bahia inutíl«, der «nutzlosen Bucht». Diese wurden von den Seefahrern so benannt, weil sie zu seicht ist, um sie sinnvoll nutzen zu können. Dadurch ist sie aber auch ein Gebiet, das den Königspinguinen gute Bedingungen bietet, die hierher brüten kommen. Königspinguine brüten am liebsten an flachen Sandstränden, geschützt hinter Dünen und in unmittelbarer Nähe des Meeres. An so einem Ort wurde 2011 ein privates Schutzgebiet eingerichtet. Der Park kann immer zur vollen Stunde in kleinen Gruppen von etwa 20 Personen besucht werden; wir haben einen Eintritt um 16h gebucht und treffen viel zu früh ein. Aber wir haben Glück: Das Personal informiert uns, dass eine andere 2er-Gruppe, die von einem Martin gebucht wurde, nicht eingetroffen ist, weshalb wir bereits um 15h in den Park dürfen – falls Martin noch eintreffe, würden sie ihm dafür unsere Plätze geben. Solltest du, lieber unbekannter Martin, dies per Zufall lesen: Wir sind dir sehr dankbar und haben soeben auf dich ein Bier getrunken. Prost!

Bei unserem Besuch sehen wir zwei Gruppen von Pinguinen. Die eine vereint Jungvögel, die noch im braunen Kleid sind, und mehrere Jungtiere, die gerade mitten in der Mauser sind. Etwas abseits und mit gebührendem Abstand – schliesslich gehört man ja nicht mehr zu den Kindern – steht eine kleinere Gruppe von Jungvögeln (pardon: jungen Erwachsenen), die gerade ihre letzten Jungfedern verlieren. Einige sind emsig bemüht, diese aus ihrem prächtigen, glatten Federkleid zu entfernen.

Sowohl auf der Hin- wie auf der Rückfahrt beeindruckt uns die Landschaft dieser Insel. Langgestreckte, sanfte Hügel dominieren die Insel, auf der aber zwischendurch auch grössere, von Flüssen gegrabene Gräben zu durchqueren sind. Immer wieder treffen wir auf Guanakos, die friedlich neben Schafen grasen, und bewundern das Farbenspiel auf dieser Insel.

Am Abend finden wir Unterschlupf in einem kleinen, aber hübschen Hotel mit sehr sauberen Zimmern und ordentlich gemachten Betten, das zudem noch über ein Restaurant verfügt. Ideal, um den Tag mit einem Bier und einer Entraña zu beenden. Letztere ist zwar nicht so gut zubereitet wie in unserem Lieblingsrestaurant in Puerto Montt, aber dennoch lecker. Im Speisesaal laufen die Nachrichten – es wird über die Wahlen berichtet. In einem Bezirk besteht der Verdacht der Wahlfälschung; offenbar wurden markierte Wahlzettel gefunden.


0 Comments

Schreiben Sie einen Kommentar

Avatar placeholder

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert