Nationalpark Pali Aike, Schiffswracks, ein Windpark für Europa und die Reise zum Ende der Welt
30. Oktober 2024
An unserem letzten Tag in Punta Arenas holen wir das nach, was uns der Sturm vom letzten Sonntag vereitelt hat, und wir fahren in den Nationalpark von Pali Aike. Dieser ist rund 2 Stunden Fahrt von Punta Arenas entfernt und liegt in unmittelbarer Nähe zur argentinischen Grenze. Im Park besuchen wir die Laguna Ana, eine kleine, grüne Lagune vulkanischen Ursprungs, sowie den Krater Cueva Pali Aike. Die Gegend wird von mehreren kleinen, erloschenen Vulkanen geprägt, die bis vor rund 10’000 Jahren aktiv waren.
Ungefähr zu dieser Zeit endete auch die Eiszeit, die Meeresspiegel stiegen an, und die Magellanstrasse entstand – bis dahin war der Süden des Kontinentes noch über eine Landbrücke erreichbar gewesen. Vor etwas mehr als 4´000 Jahren siedelten sich hier Menschen an, die zum Volk der Aonikenk gehörten. In den erloschenen Kratern nutzten sie die dort entstandenen Grotten und Unterschlüpfen, um sich vor dem rauen Wetter zu schützen. Sie lebten von der Jagd und nutzten die Haut der erlegten Guanakos, um daraus Kleidung, aber auch Zelte herzustellen.
Immer wieder begegnen uns Guanakos. Diese Tiere sind uns schon auf der Fahrt oft begegnet, daneben auch Nandus und ein Andenfuchs, auch Andenschakal genannt. Bei letzterem handelt es sich hier im Süden um eine andere, etwas kleinere Unterart als diejenige, die wir vor zwei Jahren in der Atacama gesehen haben. Auch Gürteltiere leben hier – diese Tiere sehen wir nicht, sondern nur ihre Erdhöhlen.
Auf der Rückfahrt legen wir noch einen Halt in San Gregorio ein – hier liegen zwei Wracks unmittelbar nebeneinander, die «Ambassador» und die «Amadeo».
Bei der «Ambassador» handelte es sich um einen sogenannten Teeklipper. So bezeichnete man einen Typ von Fracht-Segelschiffen – schmale Boote mit einer grossen Segelfläche und einem scharfen Bug, die zwar verhältnismässig wenig Laderaum hatten, aber eine hohe Geschwindigkeit erreichen konnten. Die einzige noch existierende Vertreterin dieses Schiffstyps ist die in London zu besichtigende «Cutty Sark». Die Teeklipper hatten ihre Blütezeit Mitte des 19. Jahrhunderts, als es zunehmend wichtiger wurde, die neueste Teeernte – daher auch der Name des Schifftyps – aus China, Indien und Ceylon auf den europäischen Markt zu bringen, sie wurden aber auch für den Transport von anderen verderblichen Waren eingesetzt. Die «Ambassador» wurde 1869 in London vom Stapel gelassen, gehörte aber schon von Anfang an zu einem eigentlich veralteten Schiffstyp, denen von den modernen und immer effizienteren Dampfschiffen zunehmend der Rang abgelaufen wurde. Mit der Eröffnung des Suezkanals, der für Segelschiffe ungeeignet war, wurden die Teeklipper dann auf der Route aus Asien endgültig abgelöst. Sie wurden dann noch einige Zeit auf anderen Routen eingesetzt, so zum Beispiel für den Transport von Guano aus Chile. So kam es, dass die «Ambassador» 1899 am Nordufer der Magellanstrasse in einem Sturm strandete und aufgegeben wurde. Das Stahlgerüst, das mehr als ein Jahrhundert überdauert hat, lässt die Konstruktionsweise dieser holzbeplankten Schiffe gut erkennen. Das Wrack wurde 1973 schliesslich zum nationalen Denkmal erklärt.
Die «Amadeo» strandete hier 1932. Sie ist besser erhalten, was auch ihrer Bauweise geschuldet ist. Es handelte sich um ein Frachtschiff, das einem in Punta Arenas ansässigen Unternehmer gehörte.
In einem Land mit viel Wind ist natürlich auch dessen Nutzung als Energiequelle ein Thema. Das ist auch in Chile nicht anders. Nördlich von Punta Arenas ist ein grosser Windpark geplant – Anfang November soll die öffentliche Auflage starten. Das Projekt ist aber umstritten. Einerseits wird befürchtet, dass die Vögel, die in der Nähe brüten, unter dem Windpark leiden und durch ihn gefährdet werden. Andererseits soll der Windpark aber auch nicht der Energieversorgung Chiles dienen – sondern für die Energiewende in Europa. Konkret soll die Windenergie genutzt werden, um Wasserstoff herzustellen, der dann aber mit chemischen Verfahren in Harnstoff umgewandt wir, der sehr viel sicherer zu transportieren ist. In Europa soll dann dieser wieder in Wasserstoff umgewandelt, um Strom produzieren zu können. Hier lautet der Vorwurf, dass Chile einmal mehr die Wertschöpfung seiner Ressourcen ins Ausland verlegt und dabei Umweltschäden auch für die chemischen Verfahren in Kauf nimmt.
Die Rückfahrt führt uns abermals über die «Ruta 9», und so nutzen wir die Gelegenheit für einige Fotos von der «Ruta del Fin del Mundo» zu machen, bevor wir nach Punta Arenas zurückkehren und unsere Koffer wieder packen – bereits morgen geht die Reise weiter nach Puerto Williams.
0 Comments